Apparative Methoden in der TV-Mafo - Nutzen und Grenzen

Sept. 19, 1997

Während sich bei der Testung von neuen (Sendungs-Pré-Test) oder auch bereits ausgestrahlten Sendungen (Sendungs-Post-Test) die klassischen Befragungsarten wie Einzelinterviews und in immer stärkerem Maße Focus Groups in der Forschung etabliert haben, wird in jüngerer Zeit die apparative begleitende Messung der Rezeption von Sendungen erwogen bzw. auch praktiziert. Bei dieser apparativen Verlaufsmessung sind zwei grundsätzlich verschiedene methodische Wege zu unterscheiden:

Subjektive Verlaufsbewertung:

Zum einen kann dies eine einfache subjektive Verlaufsbewertung durch den Testzuschauer bedeuten. Bei dieser Methode erhält der Zuschauer einen konvenient bedienbaren Hebel bzw. Joystick, mit dem er kontinuierlich das Erleben bzw. seine Akzeptanz des Gesehenen dokumentiert. Zur visuellen Unterstützung bietet es sich an, dem Zuschauer eine visuelle Rückmeldung z.B. über einer Lichtsäule, die auf- und absteigt bzw. sich farblich verändert - grün=Akzeptanz, rot=Ablehung -, seiner aktuellen Bewertung zu bieten. Eine solche Rückmeldung hat zusätzlich Aufforderungscharakter, denn es darf nicht übersehen werden, daß man den Zuschauer im Umgang mit dem Instrument während der Sendungspräsentation doch relativ alleine läßt. Als Folge dessen sind erhebliche individuelle Unterschiede in der Reaktionsneigung zu berücksichtigen. Zudem unterliegt dieses Verfahren wie alle Befragungstechniken dem Rationalierungszwang sowie dem sozialen Erwünschheitsdruck. Der Zuschauer ist, vollkommen anders als in einer normalen Sehsituation, kontinuierlich aufgefordert, das Gesehene zu bewerten. Welchen Einfluß diese Sequenzbewertung auf die Gesamtbewertung hat, ist nach dem aktuellen Forschungsstand nach vollkommen offen.

Objektive kontinuierliche Erfassung physiologischer Parameter:

Neben der subjektiven Ebene ist es auch möglich, physiologische Parameter während der Sendungsdarbietung zu erheben. Denkbar sind hier physiologische Parameter wie Hautleiterwiderstand (GSR), Puls, Elektroenzephalogramm (EEG). Auch dieses Verfahren wird bereits, allerdings primär im universitären Bereich, praktiziert. Daß dieses Verfahren bisher keinen Einzug in die alltägliche TV-Forschung gefunden hat, hat verschiedene Ursachen. Zum einen verlangt die Anwendung erhebliche Investitionen in aufwendige Meßapparate als auch den Aufbau eines grundlegenden physiologischen Know how`s bei den Mitarbeitern. Daneben haben viele Marktforschungsinstitute eine Grundskepsis gegenüber der Erfassung physiologischer Parameter, da eigene bisherige Erfahrungen relativ deutlich zeigten, daß in einem "normalen" Studiobetrieb derartige Instrumente kaum zuverlässig und meßgenau einsetzbar sind. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Entwicklungsfortschritt der letzten Jahre, der immer leistungsfähigere Hard- und Software anbietet, die Möglichkeit des Verlassens der künstlichen Laborsituation geschaffen hat. Grundlegend bleibt jedoch die Skepsis gegenüber dem, was man denn nun da mißt. Viele der physiologischen Parameter messen fast ausschließlich nur den Erregungszustand - hohe Erregung vs. niedrige Erregung -. Die Zuordnung zu Emotionen wie Freude oder Wut ist nach dem aktuellen Forschungsstand nur bedingt möglich bzw. auch unter Experten umstritten. Vor diesem Hintergrund bleibt für den User der Ergebnis-output nebulös und man ist dem Experten ausgeliefert. Diesem Ausgeliefertsein möchten sich viele User nicht aussetzen.

Auch wenn überwiegend kritische Facetten angesprochen wurden, stellt die apparative Verlaufs-TV-Programmforschung durchaus ein interessantes Methodeninstrument dar. Die Anwendung dieser Methode ist insbesondere dann angezeigt, wenn eine differenzierte Analyse z.B. eines Folgenaufbaus einer Serie bzw. eines Filmes unternommen werden soll. Durch die Verknüpfung der Bewertungs-kurve zum Stimulusmaterial - hier die Serienfolge - lassen sich erlebte Stärken bzw. Schwächen in der Dramaturgie direkt erkennen. Doch kann dieses Instrument die Befragungstechniken nicht ersetzen.

Gerade in der Focus Group sind das Gesamterleben, aber auch einzelne Sendungselemente wie z.B. die Protagonisten einer Serie oder auch die bedienten Sehmotive unter Ausnutzung des gruppendynamischen Prozesses zu analysieren. Die apparative Verlaufs-TV-Programm-forschung stellt demnach eher ein Zusatzinstrument dar, das als Ergänzung zur differenzierten qualitativen Analyse idealerweise eingesetzt werden sollte.

Autor: Dipl. Psych. Norbert Kaufmann

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