März 19, 2000
Nicht nur der wachsame Medienforscher kennt das zur Genüge, auch die Zuschauer wundern sich häufig, wie schnell gerade erst auf dem Fernsehmarkt lancierte Serienformate schon wieder aus dem Programm genommen werden.
Man muss hierzu keine konkreten Sender und Formate aufzählen, Insider können sicher aus dem Stehgreif eine Vielzahl an Serien benennen, die viel schneller verschwunden waren, als ursprünglich geplant. Meistens denkt man sich dann, "Na ja, ist nicht schade drum, war ja ziemlich daneben". Nimmt man solche "Fehlschüsse" bei einem Fernsehsender mit gewisser Regelmäßigkeit wahr, so kann sich dies negativ auf das Senderimage auswirken und die Zuschauer fragen sich, "Fällt denen nichts Besseres mehr ein?" oder gar "Wollen die uns eigentlich für dumm verkaufen?"
Gibt es hier keine Möglichkeiten, gewisse Fehler zu vermeiden und von vorneherein das Schlimmste abzuwenden? Diese Möglichkeiten gibt es, denn seit Jahren ist die qualitative Konzeptforschung auch im deut-schen Fernsehmarkt verstärkt auf dem Vormarsch.
Wie geht man dabei vor, wo liegen die Chancen und Möglichkeiten der Konzeptforschung, wo ihre Grenzen?
Zahlreiche Erfahrungen mit qualitativen Konzeptanalysen für Sendungsideen, die mit Hilfe von kreativen Workshops und Focus Groups durchgeführt wurden haben gezeigt, dass es für Zuschauer auf der einen Seite naturgemäß nicht einfach ist, sich aufgrund einer noch nicht fertigen Serienfolge ein neues Format ganzheitlich vorzustellen. Ganz egal wie gut und sorgfältig ausgearbeitet die vorliegenden Stimuli sind, man kann dem Zuschauer damit keinen vollständigen Eindruck einer geplanten Sendung vermitteln. Allerdings lassen sich auf der anderen Seite sehr wohl wertvolle Rückschlüsse auf die Akzeptanz einer Sendungsidee und der vorgesehenen Umsetzung ziehen, wenn man zunächst isoliert, möglichst ohne visuelles und verbales Stimulus-material, die Erwartungen, Vorstellungen und Phantasien der Zuschauer bezüglich des intendierten Grundkonzeptes vertiefend und detailliert "einfängt". Hier geht man in der Regel so vor, dass man die Rezipienten zunächst nur über die Sendungsidee informiert, z.B. "Ein Sender plant eine Serie, die in einer Metzgerei spielt" oder "Es soll eine Serie über eine Bademeisterin geben". In letzterem Fall könnte man noch allge-meiner beginnen und ohne Konditionierung auf das Thema "Fernsehen" zuerst die Zuschauer frei zu verschiedenen Berufen assoziieren lassen, von denen einer eben "Bademeisterin" wäre, um alles zu sammeln, was hier an Vorstellungen und Erwartungen freigesetzt wird.
Im nächsten Schritt diskutiert man über mögliche und erwünschte Protagonisten und deren Verhältnis zueinander, um so gemeinsam mit den Zuschauern die neue Serie zu gestalten. Vielfach lohnt es sich dabei, mit Protagonistenboards zu arbeiten, auf denen die geplanten Serienrollen schematisch und lediglich mit einigen Grundinformationen angeordnet sind. Auf dieser Basis fällt es den Zuschauern nicht schwer, sich zu jeder Rolle einen Typ und das dazu passende Gesicht vorzustellen, wobei hier vielfach Gesichterboards zum Einsatz kommen, von denen die Zuschauer ihre "Favoriten" für die einzelnen Rollen auswählen können. Hier geht es weniger um konkrete Besetzungs-fragen, sondern vielmehr darum, anschaulich machen zu können, wie man sich einzelne Darsteller vom Typ her zu den betreffenden Rollen-profilen wünscht. Hat bereits ein Casting stattgefunden, können konkrete "Köpfe" auch sehr gut in solche Gesichterboards eingebaut werden. Der aus Zuschauersicht wahrgenommene "Fit" zu den Rollen kann auf diese Weise gut erfasst werden. Hier ist es immer wieder erstaunlich, wie feinfühlig Zuschauer sind und wie schnell sie vorhandene Unstimmigkeiten zwischen gezeichneter Rolle und gecastetem Darsteller bemerken.
Ist man in der Produktion schon weiter vorangeschritten, können im Gesprächsverlauf Videosequenzen mit einzelnen Spielszenen bis hin zu Teilen aus vorgesehenen Serienfolgen gezeigt und beurteilt werden. Bezüglich möglicher "Geschichten" lässt sich die Phantasie der Rezi-pienten sehr gut ausnützen, indem man sie in die Rolle des "Story Writers" versetzt und sie allein oder in Teams mehrere Story Lines erarbeiten lässt. Die "Drehbücher" der Zuschauer geben Aufschlüsse darüber, welche Art von Geschichten sie für die neue Serie geboten bekommen möchten, ob sie zum Beispiel eher spektakuläre oder realitätsnahe Stories sehen wollen.
Je nach Stadium, in dem sich die geplante Serienentwicklung befindet, muss von Fall zu Fall entschieden werden, wie man methodisch zu verfahren hat, Standardisierung ist hier auf keinen Fall zu empfehlen. Generell gilt das Prinzip, zuerst möglichst ungestützt und dadurch unbeeinflusst die Vorstellungswelten der Zuschauer freizusetzen, dann sukzessive Konzeptelemente als Input in die Zuschauergruppen hineinzugeben und auf ihre Akzeptanz und Faszination hin zu überprüfen.
Am Ende der im Rahmen qualitativer Konzeptanalysen durchgeführten Veranstaltungen steht ein aus vorher isoliert erarbeiteten Formatelementen zusammengefügtes ganzheitliches Bild einer geplanten Serie, die wichtige Hilfestellungen für die weitere Serienentwicklung liefern kann und "schlimme Fehler" vermeidbarer macht.
Trotz des Optimismus`, den der Umgang mit dieser Testmethode hervorruft, müssen natürlich auch die Grenzen von Konzeptanalysen gesehen werden und es gilt, die Ergebnisse solcher Studien mit viel Sorgfalt und Sachverstand zu interpretieren. Ob aus einem Serien-konzept in der späteren Umsetzung ein erfolgreiches Format wird, kann auch aufgrund eines positiv verlaufenden Tests nicht prognos-tiziert werden. Unsere Erfahrungen, unterstützt durch die erzielten Erfolge von inzwischen in der Ausstrahlung befindlichen Formaten, deren Konzepte von uns überprüft worden sind, sprechen jedoch eindeutig für den großen Nutzen solcher Untersuchungen.
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