In der "Fernsehwelt", die seit Einzug der Privatsender eine erhebliche Ausweitung des Medienforschungs-Repertoires erlebt hat, stellen sich in einer Zeit des zunehmenden Konkurrenzdruckes vermehrt Fragen danach, inwieweit bei der Besetzung von Rollen oder Moderatorenjobs der richtige Typ, das richtige Gesicht für die spezielle Sendung gewählt wurde.
Der in der Vergangenheit oft praktizierte "Bauch-Glücksgriff", der zum Erfolg führte und oftmals Fernsehhelden zutage förderte, ist immer seltener geworden. Das Auge des Zuschauers ist sensibler geworden und nicht jedes Gesicht paßt ihm. Beim Casting von Schauspielern und Moderatoren steht man oft vor der Situation, mehrere "Köpfe" zur Auswahl zu haben und oft ist es die kreative Entscheidung des Redakteurs, die den einen oder anderen "Kopf" auf den Bildschirm bringt.Hier zeigt aber die Realität, daß manche Protagonisten in gewissen Rollen vom Zuschauer nicht akzeptiert werden. Beispiele hierfür, daß Personen "nicht funktionieren" sind gerade in jüngster Zeit in der deutschen Fernsehlandschaft oft zu sehen gewesen.
Der Marktforscher hat hier Chancen, beratend und helfend zur Seite zu stehen. Oft existieren z.B. Sendungskonzepte für die mehrere Talente angedacht sind, doch leidet man an dem Dilemma, daß man aus Kostengründen nicht alle Köpfe für die Sendung testen kann. Aus diesem Dilemma ist herauszukommen, indem man das Instrument Casting-Studie einsetzt. Ob für eine bereits "on air" befindliche Sendung, die einer neuen Rollen- oder Moderatorenbesetzung bedarf, oder für eine völlig neue Sendung, dieser Studientyp hat in den vergangenen Jahren als Entscheidungshilfe erfolgreiche Dienste geleistet. Praktisch bedeutet dies für den Fernsehmacher, daß ihm die Möglichkeit geboten wird, eine größere Anzahl von in Frage kommenden Schauspielern oder Moderatorenbewerbern in die engere Wahl ziehen zu können, und daß man diesen Protagonisten die Chance gibt, für einen begrenzten Zeitraum, im Regelfall wenige Minuten, in die zukünftige Rolle zu schlüpfen. Der einzelne Kandidat erhält die Aufgabe, seine mögliche zukünftige Rolle in dem Film, der Serie oder dem Magazin zu spielen. Die hierzu zu erstellenden Casting-Sequenzen werden Testzuschauern dargeboten, nachdem man sie mit dem vorgesehenen Format bzw. der avisierten Rolle vertraut gemacht hat. Der Zuschauer hat dann, nachdem er seine generellen Anforderungen an das vorgesehene Format etabliert hat, die Aufgabe, die Kandidaten anhand eines erprobten Beurteilungsprofils zu bewerten.
Die Ergebnisse dieser Einzelbewertungen werden im direkten Vergleich zwischen den Kandidaten im Sinne einer sich ergebenden "Kandidaten-Hitparade" dargestellt, um zu ermitteln, wer der "Siegerkandidat" für die vorgesehene Rolle ist. In einem zweiten Schritt werden die Resultate inhaltsanalytisch betrachtet, um am Maßstab eines seitens der Zuschauer etablierten (fiktiven) z.B. "Idealmoderators", einer "Idealrolle" für das jeweilige Format festzustellen, inwieweit die Wahrnehmung und Bewertung eines einzelnen Protagonisten diesem "Ideal" nahekommt.
In der Konsequenz erhält der Redakteur für jeden seiner Bewerber ein Stärken- und Schwächenprofil in bezug auf die intendierte Moderatoren- oder Charakterenrolle. Gleichzeitig erkennt er, inwieweit der Zuschauer eine Vereinbarkeit mit der vorgesehenen Rolle beim jeweiligen Bewerber erlebt oder nicht. Derartige Casting-Studien sind bisher bei Serien und Spielfilmen eingesetzt worden, ebenso wie im Bereich von Infotainment-, Talk- und Unterhaltungsformaten. Der eine oder andere mittlerweile "Große" unter den Fernsehköpfen hat auf diese Art und Weise seine Chance erhalten.
Ein interessantes Begleitergebnis solcher Studien ist übrigens, daß "neuen" Gesichtern von "Otto-Normal"-Zuschauern oft prägnantere Qualitäten zugesprochen werden als den altbekannten Fernsehgesichtern. Dieses Verfahren, das in den nächsten Jahren sicherlich noch umfassender eingesetzt wird, ist mittlerweile bei vielen öffentlich-rechtlichen Programmanbietern, ebenso wie bei Privatsendern im Einsatz. Die Casting Studie - ein vom finanziellen Aufwand her akzeptables und für den "Fernsehmacher" valides Beurteilungsinstrumentarium für Casting-Fragen.