Nov. 02, 2016
Seit dem Sommer 2016 gilt in Deutschland die Selbstverpflichtung des Einzelhandels, Einkaufstüten nicht mehr zu verschenken, sondern für sie einen gewissen Betrag zu verlangen. Damit reagiert die Politik auf die enormen Mengen Plastikmüll, der durch Plastiktüten, die häufig nur einmal genutzt und dann weggeworfen werden, immer weiter ansteigt. Allein durch die Kosten von 5 bis 20 Cent für eine Tüte, ist die Tütenabgabe in einzelnen Geschäften stark gesunken. Manche Supermärkte, wie z.B. REWE, verzichten ganz auf die Tüten aus Plastik. Andere Märkte, wie der Drogeriemarkt dm, 'verleihen' Tüten, die bei dem nächsten Einkauf wieder zurückgegeben oder umgetauscht werden können, um dem Wegwerfwahn zu entgegnen. Denn für die über 5,3 Milliarden Einweg-Plastiktüten, die jährlich in Deutschland verbraucht werden, werden über 100.000 Tonnen Kunststoff gebraucht und 160.000 Tonnen des Treibhausgases CO2 ausgestoßen¹.
Manche Hochrechnungen gehen sogar davon aus, dass es in einigen Jahrzenten mehr Plastik als Fische in den Meeren geben wird². Und auch der alternative Griff zur 'Bio-Plastiktüte' trägt nur bedingt positiv dazu bei, ist sie doch nur teilweise abbaubar und weist zusätzlich eine schlechte Energiebilanz auf.
Das schwäbische 'Tütle' soll diesem Plastikwahnsinn Einhalt gebieten: Die unscheinbare Papiertüte der Firma Apomore besteht aus 100 % ungebleichtem, stabilem Altpapier, umgeben von einer dünnen Harzschicht. So soll die Tüte biologisch komplett abbaubar sein, bei Feuchtigkeit stabil bleiben und damit möglichst lange wiederverwendet werden. Und auch wenn sie nicht mehr zum Einkaufen verwendet werden kann, dann lädt sie mit aufgedruckter Anleitung dazu ein, sie zum Sammeln von Kompostmüll weiter zu nutzen³.
Doch auf den ersten Blick wirkt das 'Tütle' wie eine ganz normale Papiertüte, wie es sie in fast jedem Geschäft an der Kasse zu kaufen gibt. Es stellt sich also die Frage, ob das 'Tütle' eine wirkliche Alternative darstellt? Denn auch bei Papiertüten gilt: Papier ist nicht gleich Papier. Papiertüten haben zwar den Vorteil, dass sie gut abbaubar sind, doch bestehen die meisten zu einem Großteil aus Frischfasern, deren Verarbeitung äußerst energie- und wasseraufwändig ist. Dreimal so oft wie eine Plastiktüte muss deswegen eine Papiertüte genutzt werden, damit sich diese Klimabilanz ausgleicht. Bei den hochgelobten Baumwoll- oder Jutebeuteln stellt sich sogar erst nach der etwa hundertsten Nutzung ein Vorteil gegenüber der Plastiktüte ein, da auch hier die Energiebilanz durch die Herstellung sehr schlecht ausfällt4.
Kann das 'Tütle' also eine Lösung bieten? Die traurige Antwort lautet 'Nein'. Zwar stellt sie eine Alternative zu ihren gebleichten Frischfaserkollegen dar, doch liegt ihr größter Vorteil in ihrer Abbaubarkeit. In der Menge hergestellt, dass sie die Plastiktüte tatsächlich ablösen könnte, wäre auch ihre Klima- und Wasserbilanz alles andere als vorteilhaft.
Das 'Tütle' ist also im kleinen Rahmen durchaus eine Alternative, wie z.B. für Apotheken, für die und mit denen es ursprünglich entwickelt wurde. Doch eine Lösung für die Massen scheint letztendlich nur eine generelle Tütenreduzierung durch den Handel und die Mehrfachnutzung von Tüten von den Konsumenten zu sein. Das heißt allerdings, in einem gewissen Maß vorausplanen zu müssen und auch bei einem spontanen Einkauf in den Tiefen seiner Taschen oder seines Kofferraums eine Tüte verwahrt zu wissen. Das ist erst einmal eine unbequeme Umstellung, scheint jedoch der einzige Weg zu sein. Um die Tütenflut zu stoppen, spielt also jeder Einzelne eine 'tragende' Rolle.
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http://www.apotheke-adhoc.de/branchennews/alle-branchennews/branchennews-detail/tuetle-die-wahrscheinlich-umweltfreundlichste-apotheken-tuete-1/?L=0&cHash=7c2d3d543c8de0275d90a9e47babe70c&sword_list[]=einweg&sword_list[]=plastikt%C3%BCten&no_cache=1
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https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/alltagsprodukte/19463.html
ce.
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